Der April


 

 

 

Der Regen klimpert mit einem Finger 

die grüne Ostermelodie. 

Das Jahr wird älter und täglich jünger. 

O Widerspruch voll Harmonie! 

 

Der Mond in seiner goldnen Jacke 

versteckt sich hinter dem Wolken-Store. 

Der Ärmste hat links eine dicke Backe 

und kommt sich ein bisschen lächerlich vor. 

Auch diesmal ist es dem März geglückt: 

er hat ihn in den April geschickt.

 

Und schon hoppeln die Hasen, 

mit Pinsel und Tuben 

und schnuppernden Nasen, 

aus Höhlen und Gruben 

durch Gärten und Straßen 

und über den Rasen 

in Ställe und Stuben. 

 

Dort legen sie Eier, als ob's gar nichts wäre, 

aus Nougat, Krokant und Marzipan. 

Der Tapferste legt eine Bonbonniere, 

er blickt dabei entschlossen ins Leere - 

Bonbonnieren sind leichter gesagt als getan! 

 

Dann geht es ans Malen. Das dauert Stunden. 

Dann werden noch seidene Schleifen gebunden. 

Und Verstecke gesucht. Und Verstecke gefunden: 

Hinterm Ofen, unterm Sofa, 

in der Wanduhr, auf dem Gang, 

hinterm Schuppen, unterm Birnbaum, 

in der Standuhr, auf dem Schrank. 

 

Da kräht der Hahn den Morgen an! 

Schwupp sind die Hasen verschwunden. 

Ein Giebelfenster erglänzt im Gemäuer. 

Am Gartentor lehnt und gähnt ein Mann.

 

Über die Hänge läuft grünes Feuer 

die Büsche entlang und die Pappeln hinan. 

Der Frühling, denkt er, kommt also auch heuer. 

Er spürt nicht Wunder noch Abenteuer, 

weil er sich nicht mehr wundern kann. 

 

Liegt dort nicht ein kleiner Pinsel im Grase? 

Auch das kommt dem Manne nicht seltsam vor. 

Er merkt gar nicht, dass ihn der Osterhase 

auf dem Heimweg verlor.  

 

 

Erich Kästner

(Die 13 Monate)